Schreiben mit Stift und Papier

Pen & Paper

Warum wir auch und gerade wissenschaftliche Texte mit der Hand schreiben sollten

3/8/20242 min read

Handschriftliches Schreiben ist eine aussterbende Fähigkeit. Gelegentlich frage ich mich, ob Kinder in der Schule der Zukunft noch lernen werden, mit der Hand zu schreiben. Die meisten von uns schreiben regelmäßig nur noch ihre eigene Unterschrift; hin und wieder einen Einkaufszettel oder eine Notiz, wenn gerade kein digitales Gerät zur Hand ist. Was wir selten tun, geht uns schwer von der Hand.

So auch die Rückmeldung in Kursen und Workshops, wenn Studierenden erstmals nach langer Zeit einen ganzen Text mit der Hand schreiben sollen: Die Muskulatur krampft, der Stift kratzt, mit der Hand geht es zu langsam, um den eigenen Gedanken zu folgen – denn das Denken passt sich der Hand, oder vielmehr der Tastatur an: Am Computer schreibt es sich bedeutend schneller. Außerdem es gibt sofortige Verbesserungs- und Korrekturmöglichkeiten. Das ist effizient – jedenfalls vermeintlich.

Digitales Schreiben: Die Nachteile

Denn was am Computer auch geschieht, ist das sogenannte Rückwärtsschreiben. In einer Stunde Schreibzeit entsteht oft gerade mal ein Absatz. Schön formuliert vielleicht, aber einsam. Die vermeintlich effizienten Verbesserungsmöglichkeiten, das Hin- und Herspringen in Satz und Absatz, der ständige Einsatz von Copy & Paste stören den Schreibfluss. Konfrontiert mit all den digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten gelingt es kaum, eine konzise Abfolge von Gedanken zu Papier zu bringen. Im besten Fall entstehen so mühsam geschriebene, im schlechtesten Fall zerstückelte oder nur kurze Texte.

Manuelles Schreiben: Die Vorteile

Beim Schreiben mit der Hand ist das anders. Sind wir geübt, und erlauben wir uns, Gedanken erst einmal unzensiert zu Papier zu bringen, dann fließen sie. Wer schon einmal im Schreibflow war, weiß, wie mühelos und sprudelnd sich in diesem Modus Seiten füllen, und wie konzise oft schon der Erstentwurf ist. Manchmal lohnt es sich nach vielen Überarbeitungsgängen in diesen Erstentwurf zurückzukehren, um zu sehen, was man eigentlich hatte sagen wollen. Denn das, was wir sagen wollen, ist nach einer soliden Einarbeitungsphase in ein Thema eigentlich schon vorhanden. Das Problem der meisten Schreibenden ist nicht, dass sie nichts zu sagen hätten, sondern dass sich ihre Gedanken nicht zu Papier bringen lassen.

Besonders, wenn wir schon oft über ein Thema geschrieben haben, können Rohtexte erstaunlich fertig sein. Meist sind sie das jedoch nicht – sondern genau, was der Begriff aussagt, nämlich roh. Es braucht mehrere Überarbeitungsgänge, um aus einem rohen einen publikationsreifen Text zu machen. Doch den meisten Menschen fällt es bedeutend leichter, am vorhandenen Text zu arbeiten, statt am leeren Blatt.

Der erste Weg aus einer Schreibblockade oder in einen neuen Text (ein Zustand, der einer Blockade temporär nicht unähnlich ist) ist deshalb: Schreiben am Papier. Wissenschaftliche Texte versehen den ohnehin schon komplexen Schreibprozess mit zusätzlichen Anforderungen. Können wir uns am Papier von diesen multiplen Anforderungen entlasten, und ganz auf das Ausführen unserer Gedanken konzentrieren, geht Schreiben erstaunlich leicht von der Hand. Auf diese Weise entstehen mühelos geschriebene, wohl strukturierte Rohtexte, die zu einem späteren Zeitpunkt überarbeitet werden können.

Wenn das nicht effizient ist.